Solawi-Stand, v.l.n.r. Clemens Breest, Volkmar Heitmann, Karl Moch

Treibhausgas-Monitoring für Friedberg

„Die Friedberger Politik ist derzeit nicht zukunftsfähig. Die sachlichen Notwendigkeiten dürfen nicht länger ignoriert werden. Wenn Friedberg auch langfristig eine Zukunft haben soll, muss sich vieles ändern“, findet Volkmar Heitmann, der für die Grünen ins Stadtparlament und den Ortsbeirat Kernstadt einziehen möchte. Heitmann ist Physiker und hat sich schon in den 1980er Jahren in Hamburg in der studentischen „Umweltschutzgruppe Physik-Geowissenschaft“ umweltpolitisch engagiert und war aktives Mitglied der Hamburger Grünen ( GAL, Grün Alternative Liste). Ein Erfolg war die Schließung des Chemiewerks Boehringer Ingelheim 1984 wegen des Dioxinskandales. Schon damals lief aber auch bereits die Diskussion um den menschengemachten Klimawandel und dieses Thema zieht sich durch alle seine Aktivitäten.

1999 kam er nach Friedberg, nachdem er und seine damalige Freundin und jetzige Frau gezielt eine Wohnung entlang der S-Bahn-Strecke nach Frankfurt gesucht hatten. Seitdem sind noch zwei Kinder dazugekommen und die Familie ist ins Barbaraviertel gezogen.

Heitmann setzt sich für den Bau eines Windparks auf dem Winterstein ein. Die Anrainer-Kommunen wie Friedberg, Rosbach, Ober Mörlen und Wehrheim sollten den Windpark gemeinsam betreiben. Eine dezentrale Energieversorgung in Bürgerhand ist das Modell für eine sicherere Zukunft. In Eigenregie erstellte Windkraftanlagen werden dann zu einer wichtigen Einnahmequelle, zumal die Zinsen für Kredite zurzeit sehr niedrig sind.

Aber damit allein ist Friedberg noch lange nicht für die Klimaerwärmung gerüstet. „Die Temperaturen werden weiter steigen. Das 1,5 °C Ziel ist voraussichtlich nicht mehr zu erreichen“, ist Heitmann überzeugt. „Wir bewegen uns auf 3 °C plus zu – bis zum Ende des Jahrhunderts. Danach ist mit der Erwärmung aber noch lange nicht Schluss. Neben dem aktiven Klimaschutz muss daher alles getan werden, um die Folgen zu mildern.“ Um den CO2-Ausstoß, auch den indirekten, effektiv reduzieren zu können, müssen die Hauptverursacher bekannt sein. Friedberg muss eine CO2-Bilanz aufstellen und ein Treibhausgas-Monitoring durchführen, um die Effektivität der Einsparungsmaßnahmen beurteilen zu können. Das Monitoring bildet den Kompass für den wirkungsvollsten Einsatz der Mittel. Strom aus Kohlekraftwerken darf in Friedberg nicht länger Verwendung finden, die Verwendung von Erdöl und Erdgas muss zügig zurückgefahren werden. Erreichen lässt sich das u.a. durch bessere Isolierung der Häuser, Verringerung des Autoverkehrs durch einen attraktiveren ÖPNV und den Ausbau eines lückenlosen Radwegenetzes.

Für die Anpassung Friedbergs an die Klimaerwärmung müssen beispielsweise Luftschneisen durch alle Teile der Stadt geplant werden, die Dächer müssen begrünt werden (wenn Sie keine Solaranlagen tragen), mehr Grünflächen müssen angelegt und mehr Bäume gepflanzt werden, die natürlich an das zukünftige Klima angepasst sein müssen.

Menschen für den ÖPNV zu gewinnen, gelingt nur, wenn die Bedingungen stimmen. Da Heitmann selbst Bahnfahrer ist, stört ihn im Friedberger Bahnhof vor allem, dass er nicht barrierefrei ist. Mit dem Kinderwagen, dem Fahrrad, mit großen Koffern oder mit dem Rollstuhl ist es sehr schwierig, auf die Bahnsteige zu kommen. Der Bau von Aufzügen darf nicht länger verzögert werden.

In absehbarer Zeit wird die „Kleine Unterführung“ wegen Sanierungsarbeiten gesperrt werden müssen. Dann fehlt der Zugang zum Barbaraviertel. Wie viel einfacher wäre es, wenn ein durchgehender Tunnel im Bereich des Bahnhofs den Bewohnern die Wege verkürzen würde. Auch könnten dadurch die Buslinien ost- und westlich des Bahnhofs besser verzahnt werden. Ein weiterer Aspekt eines durchgehenden Tunnels wäre die bessere Erreichbarkeit der Supermärkte vom Busbahnhof aus.

Im Westen der Bahngleise sind kürzlich Lärmschutzmauern errichtet worden. Dies muss auch im Osten geschehen, denn durch die Reflexion ist der Lärm auf der Ostseite noch größer geworden. „Der Güterverkehr über die Mai-Weser-Bahn wird in den nächsten Jahren um den Faktor 7 zunehmen – was ich begrüße. Der Ostteil der Stadt darf dann aber nicht der Leidtragende sein. Auch hier muss mehr Druck auf die Bahn ausgeübt werden.“

Die Busverbindungen in und um Friedberg müssen optimiert werden. Vom Barbaraviertel zum Beispiel lohnt es sich nicht, den Bus zu nehmen, um in die Stadt oder zu den Schulen zu fahren, weil er zu selten kommt und durch große Umwege zu lange unterwegs ist.

Schließlich setzt sich Heitmann für die Verlängerung der eigenen S-Bahn Gleise bis mindestens Bad Nauheim, besser noch bis Gießen, ein, um einen reibungslosen Regionalverkehr zu gewährleisten. Die Gleise auf dieser Hauptstrecke sind jetzt schon überlastet. Außerdem muss die Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken beschleunigt werden, sodass zum Beispiel eine direkte Verbindung zwischen Friedberg und Lich möglich ist. Dem Rhein-Main-Gebiet fehlt es zudem an Ring-Verbindungen. Es darf nicht bei der sternförmigen Ausrichtung auf Frankfurt bleiben.

Ein wichtiges Anliegen von Volkmar Heitmann ist nicht zuletzt die Demokratieentwicklung. „Die Parteiendemokratie stößt weltweit an ihre Grenzen. Eine direkte Demokratie ist aber auch keine Lösung.“, stellt Heitmann fest. In anderen Demokratien, zum Beispiel Irland, gibt es erfolgreiche Versuche, Bürgerräte einzusetzen. Volksvertreter werden aus der gesamten Bevölkerung ausgelost und bilden eine beratende Kammer für die gewählten Parlamente. Später sollen Teile der gewählten Parlamente durch die gelosten Bürgerräte ersetzt werden. Dadurch könnten Verkrustungen aufgebrochen, die Korruption erschwert und der Politikverdrossenheit entgegengewirkt werden. In Irland wurde so das Abtreibungsrecht reformiert. Anfangs traten viele Bürger/innen das Amt nur murrend an, waren aber später begeistert.

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