Rede anlässlich der Haushaltsberatungen am 11.12.2025
von Dr. Martin Saltzwedel, haushaltspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
„Alle Jahre wieder …“ singen viele Friedbergerinnen und Friedberger in der Adventszeit.
Und alle Jahre wieder beraten wir auch unseren Haushalt.
Damit Sie heute nicht nur lauter langweilige Kommentare zu unseren Überlegungen aus dem Finanzausschuss und zum Verwaltungshandeln hören, möchte ich auch darauf hinweisen,
dass unsere Zeitung manchmal einen sechsten Sinn für Haushaltsberatungen hat.
Zum Beispiel fand ich schon vor zwei Monaten die passende Überschrift dazu:
„Gemeinschaftssinn und Grenzerfahrungen“ (WZ 24.9.2025, im Sportteil)
1 Wo stehen wir?
Es gibt durchaus Punkte, bei denen die Verwaltung aus Sicht der Grünen-Fraktion 2025 vorangekommen ist oder sich im Haushalt gut aufstellt:
Strukturell wurden und werden z. B. die Themen Fördermittelmanagement, bezahlbares Wohnen, Kinderbetreuung, Sportförderung, Mobilitätskonzept, Ordnungsamt, Wirtschaftsförderung, Stadtmarketing, Tourismus und Wetteraumuseum angepackt.
Wir haben jetzt endlich, wie von uns Grünen 2022 beantragt, eine hauptamtliche Inklusionsbeauftragte.
Sogar die von den Grünen immer wieder eingeforderte Barrierefreiheit von Bushaltestellen – die seit Januar 2022 gesetzliche Pflicht ist, aber zunächst blockiert wurde von den Parteien, die seit Jahren keine Veränderung wollen – wird angepackt.
Manches hat länger gedauert, aber die Zeitung schrieb:
„Friedberg findet gute Lösungen“ (WZ 23.9.25, im Sportteil)
2 Wo hakt es?
2.1 Bei der Kommunikation ist das Bild durchwachsen
Mit der neuen Wahlperiode soll das Bürgerinfoportal auf eine neue Software umgestellt werden. Wir hoffen sehr, dass wir damit endlich auch das 2023 von uns Grünen beantragte und einstimmig geforderte Beschlusscontrolling bekommen, damit wir Stadtverordnete und die Öffentlichkeit besser informiert werden. Wir haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben!
Die Bürgerversammlung neulich zeigte eine engagierte und serviceorientierte Verwaltung. So etwas brauchen wir viel häufiger: Dort konnten sich alle Menschen in Friedberg informieren und direkt beteiligen – vielen Dank!
Jegliche Wahlen – auch in Friedberg – zeigen derzeit: Die Menschen möchten informiert und beteiligt werden. Sie wünschen sich, dass endlich etwas vorangeht – nicht immer wieder nur Stillstand. Wir Grüne hatten gefordert, kurzfristig eine Informationstafel zum Bauvorhaben Kaiserstraße aufzustellen. Jetzt soll mit Fördergeldern eine „Digitale Kommunikationsplattform“ kommen. Die Idee ist sicher gut, kommt aber viel zu spät – die Tafel müsste, um wirksam zu sein, jetzt schon stehen. Und es wird ja noch weitere Zeit bis zur Umsetzung brauchen. Ich hatte hierzu schon vor einem Jahr vorgeschlagen, Ideen und Funde bei der Umgestaltung der Kaiserstraße für einen aktiv beworbenen Besichtigungstourismus zu nutzen. Kriegt Friedberg das mit allen Beteiligten gemeinsam hin?
2.2 Es fehlt die Gesamtstrategie auf Basis einer möglichst breiten Mehrheit
Herr Dahlhaus, wir brauchen nicht immer neue Ideen – die gibt es längst – sondern längerfristige Ziele, wohin wir uns als Stadt Friedberg entwickeln wollen, was wir als Bürgerinnen und Bürger erreichen möchten!
Die Prioritätenliste des Bauamts und die Diskussionen dazu waren ein guter Ansatz, aber woran liegt es, dass in den letzten 10 Jahren im Ergebnis rote Zahlen geplant, am Jahresende aber sogar Schulden reduziert wurden?
Unsere Haushaltsaufstellung wird immer wieder missverstanden:
- Von der Politik als Wunschliste unabhängig von strukturellen und personellen Möglichkeiten: Geld bereitstellen löst aber nicht alle Probleme!
- Von der Verwaltung als stets gefülltes Supermarktregal: Wenn für alle Themen Geld bereitsteht, kann man umsetzen, was einem gerade in den Kram passt und für alle anderen Themen gut begründen, dass die Arbeit nicht leistbar war.
Das ist – ich nutze wieder eine passende Überschrift aus der Zeitung:
„Fehlplanung oder Fehlkonstruktion – auf jeden Fall ein Fiasko“ (WZ 24.9.2025, im Sportteil).
3 Was brauchen wir?
- Wir brauchen also eine klarere Trennung der „politischen Rahmenvorgaben“ vom „Verwaltungshandeln“:
- Die grundlegenden Ziele sollten – nach politischer Diskussion – festgelegt und mit Haushaltsmitteln ausgestattet werden.
- Die konkrete Festlegung, also z. B. welche städtischen Gebäude zuerst ausgebaut, energetisch saniert und mit PV-Anlagen ausgestattet werden, sollte Verwaltungshandeln sein!
Wenn wir sehen, dass das vernünftig angepackt wird, sparen wir uns gerne lange Diskussionen in den Ausschüssen und damit der Verwaltung viel Arbeit mit der Ausarbeitung von Einzelbeschlüssen, die dann doch nicht bis zur Umsetzung kommen!
Aber leider haben wir gerade mit solchen „Grundsatzbeschlüssen“ bisher schlechte Erfahrungen:
- Jedes Jahr die energetische Sanierung eines Bürgerhauses zu planen und anschließend umzusetzen – wurde seit 2022 immer wieder verschoben. Jetzt soll die Umsetzung ab 2027 beginnen. Wir sind gespannt!
- Die Photovoltaik in Friedberg voranzubringen und damit den Stadtwerken eine neues Geschäftsfeld zu eröffnen – wurde bisher zwischen Bauamt und Stadtwerken in der Verantwortlichkeit hin- und hergeschoben. Nichts realisiert.
- Das hier beschlossene Ziel, den Wärmebedarf im gesamtstädtischen Gebäudesektor aus erneuerbaren Energien zu decken, – ist wohl leider in Vergessenheit geraten. Beim Haushalt sehen wir jetzt zu, wie die Energiepreise steigen.
- Wir brauchen dafür klare Zuständigkeiten und eine effiziente Verwaltungsstruktur!
Das genau war 2024 das Ziel unseres Antrags zur „Einführung eines umfassenden Prozess- und Organisationsmanagementsystems in Verwaltung und Eigenbetrieben“, der mit großer Mehrheit beschlossen worden ist.
Die Verwaltung hat das damals wie heute im Haushalt leider unter einer Position „Aufwendungen f. Projekt Aufgabenkritik“ eingestellt.
Mit „Aufgabenkritik“ ist unser Beschluss aber nicht erfüllt: Wir wollten eine echte Organisationsanalyse – mit externer Expertise und dem Ziel, Abläufe zu verbessern und Mitarbeitende zu entlasten. Die sollen nämlich Freude an ihrer Arbeit haben und merken, dass sie gemeinsam mit uns Stadtverordneten etwas bewegen können!
- Wir brauchen außerdem einen nachhaltigen Ansatz, Klimaschutz, Schutz unserer guten Wetterauer Böden, des Wassers und der Biodiversität sowie Klimaanpassung bei allem Verwaltungshandeln zentral mitzudenken.
Diese Themen sind nämlich kein „Steckenpferd“ der Grünen. Sie sind inzwischen – jetzt und nicht erst in ferner Zukunft – systemrelevant für unser Zusammenleben.
Die Grünen haben deshalb in den vergangenen Jahren die Erarbeitung von Hitzeschutzaktionsplan, Kommunaler Wärmeplanung, Starkregengefahrenkarte, Trinkwasserbrunnen, möglichst viele Bäume in der Stadt für Schatten und Kleinklima angemahnt und entsprechende Beschlüsse erreicht. Und wir haben in den Gremien deutlich gemacht, dass die Stadt bei den Planungen zum Regionalen Flächennutzungsplan die Nachhaltigkeitsziele von Bund und Land nicht beachtet. Es wird dringend Zeit, dass sich die Verwaltung zu allen diesen Themen ämterübergreifend aufstellt und auch die Stelle Klimaschutzmanagement als Stabsstelle in die Verwaltung holt!
Wir brauchen eine bessere Einbindung der Ausschüsse und Ortsbeiräte!
Die Menschen in Friedberg erwarten von Verwaltung und Politik, dass der Laden läuft.
Sie erwarten, dass sich jemand um Kita-Plätze, sichere, saubere und barrierefreie Wege und Straßen, rechtzeitige Reparaturen, Katastrophenschutz, Sport und Kultur, Wahlen, Finanzen und vieles mehr kümmert. Das funktioniert aber nur, wenn wir alle zusammenarbeiten!
Herr Dahlhaus: Sie hatten uns zu Beginn Ihrer Amtszeit angekündigt, die Ausschüsse und Ortsbeiräte im Vorfeld von Entscheidungen früher und stärker einzubinden. Nutzen Sie die Kompetenz der vielen engagierten Personen aller Parteien und vieler interessierter Bürgerinnen und Bürger – und lassen Sie bitte Alleingänge wie beim „Rathaus+“: Die gewählten Fach- und Ortsgremien sind in der Regel die richtigen Stellen, grundsätzliche Ideen zu finden bzw. zu diskutieren, und nicht zusätzlich einberufene Kamingespräche, Stammtische oder Zukunftsworkshops! Wenn die Stadtverordnetenversammlung das anders sieht und ein zusätzliches Gremium als Ausschuss einrichten möchte, dann soll sie das bitte auch beschließen!
Es gibt also viel zu tun, aber wir sollten die Hoffnung nicht aufgeben, denn in der Zeitung stand auch:
„Friedberg hat den längeren Atem“ (WZ 4.11.25, im Sportteil)
4 Wie machen wir weiter?
Alle Jahre wieder beraten wir über den Haushalt – alle Jahre wieder die gleiche Diskussion? Lassen Sie uns das ändern!
Wir Grünen wünschen uns mehr Mut für Friedberg und möchten gemeinsam mit der Verwaltung den jahrelangen Stillstand beenden.
Wir möchten, dass dieser Haushalt dazu beiträgt, unsere grundlegenden Beschlüsse endlich umzusetzen, die nicht „das Klima“ retten, sondern unsere Lebensgrundlagen und unser Zusammenleben schützen sollen.
Wir möchten, dass vorhandenes Geld in die Hand genommen wird, um die Infrastruktur sichtbar zu verbessern und Barrieren abzubauen.
Wenn wir heute erkennen können, dass es unser gemeinsames Ziel ist, in dieser Weise den Stillstand zu beenden, dann wird die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen diesem Haushalt zustimmen.
Es ist inzwischen spät, aber es fehlt noch eine Überschrift – diesmal nicht aus der Zeitung, sondern von der Stadt Friedberg selbst auf Facebook am 23.9.:
„Gute Nacht Friedberg – Bis zum nächsten Jahr“ (Facebook friedberg-hessen.de 23.9.25)


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